Geldautomaten gibt es nur in zwei oder drei Städten und das auch erst seit wenigen Jahren. Selbst in der größten Stadt tragen die Bhutaner ihre traditionelle Tracht: die Männer hüllen sich in den Gho, die Frauen bevorzugen den Kira. Von einer westlich dominierten, modernen Großstadt kann eher nicht die Rede sein. Überragt wird die Hauptstadt vom Tashichho Dzong, das im 17. Jahrhundert als Festung zum Schutz vor Angriffen aus Tibet gebaut wurde und heute seine ursprüngliche Funktion gegen Büros der Distriktverwaltung und ein Kloster eingebüßt hat. Die schieren Ausmaße und feine Ausgestaltung im Innern sind beeindruckend. Gegenüber vom Dzong liegt das Parlament, das erst seit der Einführung der parlamentarischen Demokratie im Jahr 2008 seine Funktion als Legislative gänzlich erfüllen kann. Der bescheidene Palast des fünften Königs von Bhutan liegt ebenso in Sichtweite, darf jedoch nicht abgelichtet werden. Die Monarchie genießt in Bhutan einen hohen Stellenwert und das junge Königspaar erfreut sich größter Beliebtheit.
In Bhutan gibt es übrigens neben der Nationalblume und dem Nationalbaum auch das Nationaltier: Den Takin. Der sieht aus wie eine schöpferische Resteverwertung: Ein bisschen Esel, ein bisschen Elch und ein bisschen Ziege. Mit riesigen Füßen wie ein Nashorn und einem wackelnden Gang als müsse man Angst haben, er würde jeden Moment umkippen. Die Niedlichkeit aber hat er direkt von einem grasenden Wombatbaby abbekommen. Ein passenderes Tier hätten sich die Bewohner des abgeschiedenen Königreichs gar nicht aussuchen können.
Punakha – alte königliche Residenz
Bis in die 50er Jahre war Punakha die Hauptstadt Bhutans, doch waren den Mächtigen die sommerlichen Temperaturen in diesem subtropischen Tal in Zentralbhutan unerträglich, so dass man sich dafür entschied, die Hauptstadt nach Thimphu zu verlegen. Allein die Krönung des Königs findet noch im Dzong von Phunaka statt.
Auf der Karte sieht die Distanz zwischen Thimphu und Punakha nicht sehr weit aus, allerdings hat man rasch Verständnis für die mit 3h angegebene Fahrzeit für die 60km: die Straße – oder vielmehr Buckelpiste – windet sich von Thimphu (2300m) auf den Dochula Pass (3050m). Von dort hat man an klaren Tagen die Chance den Himalaya zu sehen. Uns bleibt dieser Anblick leider verwehrt. Bei kühlen 15 Grad und Nebel geht es nach einer kurzen Pause in unzähligen Haarnadelkurven in das subtropische und von Reisterrassen durchsetzte Tal von Punakha.
Auf den umliegenden Hügeln flattern abertausende Gebetsfahnen im Wind – sie tragen die Gebete und Wünsche der Buddhisten auf dem Luftweg direkt in den Himmel hinauf. Der Wind zerfurcht die dünnen Fasern der handbedruckten Fähnchen, was in jedem Fall ein gutes Zeichen ist: Umso weniger von den Gebeten noch vorhanden ist, umso mehr wurde schon hinauf geweht.
Neben dem Tourismus ist vor allem die Stromerzeugung durch Wasserkraft die Haupteinnahmequelle in Bhutan. Die Kraft des Wassers machen sich die gewieften Bhutaner und Bhutanerinnen gleich noch auf eine andere Weise zu nutzen. Das Muster der Reisterrassen wird immer wieder durch kleine Pagoden unterbrochen, die im Innern eine durch Wasser angetriebene Gebetsmühle offenbaren, die tagein und tagaus ihre Mantras in die Welt hinaus schickt. Wie praktisch! Eine völlig nachhaltige Gebets- und Wunschmaschine.
Der ehemalige Regierungssitz in Punakha wird heute ebenso von der Distriktverwaltung und einem Kloster genutzt, ist in seiner Ausgestaltung, seinen Ausmaßen und seiner Lage am Zusammenfluss zweier Flussläufe jedoch bedeutend schöner als das Tashichho Dzong in Thimphu.
Nach zwei Nächten in Punakha machen wir uns auf zu unserer letzten Bhutan-Etappe. Nach einer erneuten Überquerung des Dochula-Passes kommen wir am Mittag in Paro an, wo am nächsten Tag das Highlight unserer kurzen Reise ansteht.
Am Morgen beginnen wir unsere Wanderung zum Taktsang Lhakhang. Dieses aus 8 kleinen Tempeln bestehende Kloster krallt sich auf einer Höhe von 3200m an einen Felsen über dem Tal von Paro. Zuerst müssen wir allerdings einen Höhenunterschied von rund 1000m überwinden. Bei einigen anderen Touristen kann man deutlich erkennen, was die künftige Oberschicht eines Landes auszeichnet: Geld, ausreichend Nahrung – und damit verbunden auch mittlere bis schwere Adipositas. Um der Schwerkraft ein bisschen entgegen zu wirken, können die besonders gebeutelten Besucher sich auf einem schnaufenden und bemitleidenswerten Pferd die Hälfte des Berges hinaufhieven lassen. Wir fühlen mit den Pferden und ziehen den steilen Aufstieg vor.
Oben angekommen, haben wir dann eine atemberaubende Aussicht auf das Tiger’s Nest. Der Legende nach ist Guru Rinpoché auf dem Rücken eines fliegenden Löwen aus Tibet geflohen und hat nach seiner Ankunft in Bhutan in den Höhlen des Tiger’s Nest 3 Jahre, 3 Monate, 3 Wochen, 3 Tage und 3 Stunden meditiert.